Fazit und künftige Herausforderungen

Abschliessend präsentieren wir einige Kernaussagen zur sozialen Lage der Bevölkerung und zur sozialen Sicherung im Kanton Solothurn. Sie weisen auf Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der vorgestellten Problemlagen hin.

Die öffentliche Hand im Kanton Solothurn gibt im Vergleich zur Schweiz weniger Geld für die soziale Wohlfahrt aus

Der Kanton Solothurn und die Einwohnergemeinden geben 2003 insgesamt 426 Millionen Franken für die soziale Wohlfahrt aus. Abzüglich Einnahmen – zum Beispiel Transferzahlungen des Bundes – leistet die öffentliche Hand netto Zahlungen von 244 Millionen Franken bzw. 979 Franken pro Kopf der Bevölkerung. Die soziale Wohlfahrt rangiert unter den staatlichen Ausgaben nach jenen für Bildung und Gesundheit an dritter Stelle.

Im Vergleich zur gesamten Schweiz sind diese Leistungen unterdurchschnittlich. Die kantonalen und kommunalen Ausgaben für die soziale Wohlfahrt betragen 2002 im Kanton Solothurn im Mittel pro Kopf und Jahr 29% weniger als gesamtschweizerisch. Allerdings haben die Ausgaben der öffentlichen Gemeinwesen im Kanton zwischen 2000 und 2003 um 15% (Gemeinden) bzw. 16% (Kanton) zugenommen.

Immer grössere Bevölkerungskreise erhalten finanzielle Hilfen

Die wachsenden Aufwendungen der öffentlichen Hand für die soziale Wohlfahrt widerspiegeln die Entwicklung der zunehmenden Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme und damit eines zunehmenden Bedarfs an den Leistungen dieser Sicherungssysteme.

Deutlich zeigt sich dieser Trend bei den finanziellen Hilfen: Im Zeitraum von vier Jahren, zwischen 2000 und 2003, erhalten durchwegs mehr Personen finanzielle Leistungen. Um einige Beispiele zu nennen: Die Zahl der Personen, die Taggelder der Arbeitslosenversicherung erhalten, wächst um 56%, jene der Bezüger/innen von Ergänzungsleistungen zur IV um 40%, die Altersrenten der AHV steigen um 25% an, die Zahl der Prämienverbilligungen zur obligatorischen Krankenversicherung um 12%.

Es zeigt sich, dass zunehmend breitere Bevölkerungskreise finanzielle Leistungen des Staates erhalten. Allein die Verbilligung der Krankenkassenprämien in der obligatorischen Krankenversicherung wird 2003 von fast einem Drittel der Solothurner Wohnbevölkerung beansprucht. Im selben Jahr erhält jede fünfte Person eine Altersrente der AHV oder eine Invalidenrente der IV.

Die bedarfsgerechte Bereitstellung der Versorgungsinfrastruktur zwischen Kleinräumigkeit und heutigen Anforderungen ist eine Herausforderung

Der Kanton Solothurn ist mit insgesamt 126 Einwohnergemeinden kleinräumig organisiert. Diese Zahl sorgt gerade in kommunalen Leistungsfeldern der Sozialpolitik für teilweise stark dezentrale Versorgungsstrukturen, die auch an Grenzen stossen: Ein Beispiel ist der erwähnte sehr unterschiedliche Professionalisierungsgrad in der Sozialhilfe, der als problematisch angesehen werden muss, weil mit höheren Fallzahlen und schwierigeren Problemstellungen zu rechnen ist.

Die Modernisierung der Gesellschaft (z.B. Spezialisierung und Professionalisierung) erfordert im Gegensatz zur kleinräumigen Versorgung Planungen und Koordinationsleistungen über grössere Räume und über Grenzen hinweg. In diesem Spannungsfeld sind Entscheidungen über den Ausbau oder Abbau oder die Konzentration von Versorgungsstrukturen schwierig.

Die Befunde sind entsprechend vielfältig: Im Kanton Solothurn sind zunächst verstärkt Formen der interkantonalen Zusammenarbeit festzustellen. Beispiele sind: Spitalvereinbarungen, die Opferhilfestelle Aargau-Solothurn, das Frauenhaus Aargau-Solothurn, der Vollzug von Strafen und Massnahmen (Konkordat der Nordwest- und Innerschweiz) oder der Beitritt des Kantons zur Interkantonalen Vereinbarung für soziale Einrichtungen (IVSE), welche den Zugang zu ausserkantonalen Einrichtungen wie Sonderschulen, Wohnheime für Personen mit Behinderung, Kinder- und Jugendheime oder Therapieinstitutionen im Suchtbereich regelt.

Des Weiteren sind auch regionalisierte Angebotsstrukturen – wie in der Suchthilfe – umgesetzt, die gemäss Stossrichtung des geplanten Sozialgesetzes mit der Bildung von Sozialregionen noch ausgebaut werden sollen.

Die regionale oder interkantonale Zusammenarbeit ist ein Weg, um auf die geforderte zunehmende Professionalisierung der Angebote und die steigende Nachfrage zu reagieren. Trotz einer teils erheblichen Zunahme der personenbezogenen Leistungen in den vergangenen Jahren ist im Kanton Solothurn kein allgemeiner oder im Vergleich zur Schweiz gar überdurchschnittlicher Ausbau der Versorgungsstrukturen erkennbar:

So ist etwa die Bettenzahl in Krankenhäusern der allgemeinen Pflege zwischen 1998 und 2003 rückläufig (Abnahmen von 13% bzw. 17%). Auch die Kapazitäten in Asylzentren werden seit 2002 reduziert bzw. an die rückläufige Zahl von Asylbewerbenden angepasst. In der Periode bis 2006 ist auch eine Reduktion jener stationären Plätze im Suchtbereich geplant, die vom Bundesamt für Sozialversicherung mitfinanziert werden.

In anderen Bereichen gab es einen Zuwachs: Die Bettenzahl in Pflege- und Altersheimen steigt zwischen 2000 und 2003 um 0.7% an. Zwischen 1998 und 2003 nimmt die Zahl der (auf Vollzeitpensen umgerechneten) Stellen in der Spitex um 15% zu. Im Bereich Behinderung mit bereits überdurchschnittlich gut ausgebauten Leistungen ist eine weitere Aufstockung geplant: Bis ins Jahr 2006 wird das von der IV mitfinanzierte Angebot bei Wohnheimen und Tagesstätten um 138 zusätzliche Plätze (gegenüber 2003) erhöht, bei den Werkstätten um 100 Plätze.

Umfang und Art der sozialen Probleme variieren stark zwischen den Bezirken

In Bezug auf die soziale Lage der Solothurner Bevölkerung bildet der Kanton keinen einheitlichen sozialen Raum. Entlang der Bezirksgrenzen zeigen sich nennenswerte regionale Unterschiede. Allerdings gibt es nur für einige wenige Problemlagen genauere Daten.

So sind die Aufwendungen für die soziale Wohlfahrt je nach Bezirk sehr unterschiedlich: Der Netto-Aufwand variiert im Jahr 2003 pro Kopf der Bevölkerung zwischen 309 und 500 Franken. Auch die Entwicklung dieser Beiträge ist unterschiedlich: Zwischen 2000 und 2003 nimmt der kommunale Netto-Aufwand im Bezirk Bucheggberg ab (um 6%), während er in den neun übrigen Bezirken bis zu 36% ansteigt.

Für diese Schwankungen gibt es verschiedene Erklärungen: Verantwortlich sind sicher die sehr unterschiedlich finanzierten Infrastrukturen im Sozialbereich und die mehr oder weniger stark ausgeprägten Problemlagen. Das zeigt sich zum Beispiel für die Arbeitslosigkeit und die Armut: 2004 variiert die Arbeitslosenquote nach Bezirk zwischen 1.3% und 5.2%. Die einzelnen Bezirke sehen sich also mit bis zu vier Mal höheren Anteilen an arbeitslosen Personen konfrontiert. Noch stärker zeigen sich diese regionalen Unterschiede bei der Sozialhilfe. 2000 meldeten sich bei der Sozialhilfe je nach Bezirk zwischen einem (Bucheggberg) und 23 Fälle (Solothurn) pro 1’000 Einwohner/innen. Das lässt auch Rückschlüsse auf die Armut in den einzelnen Bezirken zu.

Als historisch gewachsene Einheiten markieren die Bezirke allerdings für die soziale Lage der Bevölkerung keine wichtigen sozialräumlichen Grenzen. Denn die Unterschiede sind ebenso deutlich, wenn nach Stadt und Land und raumplanerischen Kriterien verglichen wird: So geben 2003 die Zentrumsgemeinden pro Kopf der Bevölkerung 513 Franken, ländliche Gemeinden hingegen nur 338 Franken für die soziale Wohlfahrt aus. Pro 1’000 Einwohner/innen sind in Zentrumsgemeinden 17 Sozialhilfefälle registriert, in ländlichen Gemeinden nur zwei.

Jugendliche, Kinder, Ausländer/innen sind mehrfachbelastete Gruppen

Bei aller Vielfalt der untersuchten Problemlagen zeigt sich dennoch, dass bestimmte Personengruppen mehrfach von sozialen Problemlagen betroffen oder belastet sind. Das sind vor allem Personen mit ausländischer Nationalität sowie Kinder und Jugendliche.

Personen mit ausländischer Nationalität sind überdurchschnittlich häufig von Arbeitslosigkeit betroffen. 2003 liegt die Arbeitslosenquote im Kanton Solothurn bei den Schweizer/innen mit 2.3% deutlich tiefer als bei den Ausländer/innen mit 8.1%. Überdurchschnittlich ist ihr Anteil auch unter den langzeitarbeitslosen und ausgesteuerten Personen. Menschen mit ausländischer Nationalität sind auch stark von Armut betroffen, wie die Statistik der Sozialhilfe (ohne die Städte Solothurn und Grenchen) zeigt: 2000 erhalten in Relation zum Bevölkerungsanteil dreimal so viele (niedergelassene) Ausländer/innen wie Schweizer/innen Sozialhilfe.

Personen mit ausländischer Nationalität schätzen ihren Gesundheitszustand im Vergleich zu Schweizer/innen seltener als (sehr) gut ein (71% gegenüber 86%), wenngleich gesundheitliche Beschwerden nicht häufiger auftreten. Allerdings ist der Anteil an Personen mit ausländischer Nationalität unter den Bezüger/innen von Invalidenrenten und Ergänzungsleistungen der IV überdurchschnittlich hoch.

Im Bereich Gewalt und Kriminalität sind Personen ausländischer Nationalität unter den Tatverdächtigen (2003: 41%) und bei den verurteilten Personen (2003: 40%) übervertreten. Dieser Befund relativiert sich jedoch, wenn nur Personen mit Wohnsitz in der Schweiz berücksichtigt werden: im Jahr 2003 beträgt der geschätzte Anteil der Ausländer/innen an den verurteilten Personen im Kanton Solothurn noch 24% (bei 18% Bevölkerungsanteil).

Daten für die gesamte Schweiz zeigen auch, dass Ausländer/innen das Risiko, Opfer einer Straftat zu werden, als wahrscheinlicher einschätzen als Personen mit Schweizer Nationalität. Einzig die Gefahr der Bedrohung wird in etwa gleich bewertet.

Kinder und Jugendliche sind besonders stark von Einkommensarmut betroffen. In der Sozialhilfestatistik des Jahres 2000 (ohne die Städte Grenchen und Solothurn) macht die Altersgruppe der bis 18-Jährigen mehr als einen Drittel (37%) aller Sozialhilfeempfänger/innen aus. Kinder und Jugendliche erhalten auch von anderen Sicherungssystemen häufiger finanzielle Beiträge: 2003 lebt fast jedes zweite Kind unter 6 Jahren in einem Haushalt, der eine Prämienverbilligung für die Krankenkasse erhält, bei Kindern zwischen 6 und 10 Jahren sind es 60%. Auch Ergänzungsleistungen der IV werden vermehrt von Kindern und Jugendlichen beansprucht. Ihre Zahl stieg zwischen 1998 und 2003 um 167% an.

Der Kanton Solothurn liegt bezüglich sozialer Probleme im Mittelfeld

Für keine der untersuchten Problemlagen ist festzustellen, dass im Vergleich zur Schweiz oder zu anderen Kantonen übermässig viele Personen betroffen sind. Das gilt weitgehend auch für die Wachstumszahlen bezüglich der Inanspruchnahme der sozialen Sicherungssysteme. In vielen Bereichen entsprechen die Verhältnisse Insgesamt dem (rechnerischen) Durchschnitt in der Schweiz und belegt der Kanton Solothurn im interkantonalen Vergleich einen Mittelfeldplatz.

Allerdings stehen nicht überall genügend Daten für einen vertieften Vergleich zur Verfügung. Dennoch können bei einigen Problemlagen abweichende Nuancen im Vergleich mit der Schweiz aufgezeigt werden:

So liegt etwa die Zahl der Arbeitslosen und der armutsbetroffenen Personen (leicht) unterhalb des gesamtschweizerischen Durchschnitts. Überdurchschnittlich hoch ist hingegen die Zahl der Personen mit Behinderung. Der Anteil der Invalidenrentner/innen an der erwerbsfähigen Bevölkerung ist aber wieder durchschnittlich. Für die Region Espace Mittelland (Glossar), zu der auch der Kanton Solothurn gehört, ist auch der Anteil der Working Poor an der Gesamtbevölkerung leicht höher als im Schweizer Durchschnitt.

×